fbpx
Mehr Gehalt, weniger Billables

Die jüngsten Gehaltserhöhungen sorgten mancherorts dafür, dass Associates ihre Stunden reduzierten. Trotz höherer Gehälter sanken so die personellen Kapazitäten. Was paradox scheint, hat jedoch nachvollziehbare Gründe. 

Gehaltserhöhungen seit 2020

Im Kampf um die besten Absolventen haben Kanzleien die Associatevergütung seit 2020 deutlich angehoben, sodass 150.000 € Einstiegsgehalt inzwischen keine Seltenheit mehr sind. Einige Kanzleien spendierten seitdem sogar mehrere Gehaltserhöhungen um den Anschluss an die Marktspitze nicht zu verlieren. Berufseinsteiger dürften sich daran nicht stören, allerdings war manch Personalverantwortlicher überrascht, als Associates nach der jüngsten Gehaltserhöhung ihre Arbeitszeit reduzierten.

Überarbeitung macht Unzufrieden

Umfragen zeigen, dass Associates bereit sind, 52 Stunden pro Woche zu arbeiten. Tatsächlich arbeiten Associates derzeit lediglich eine Stunde mehr als ihnen lieb ist. Der Durchschnittswert von 53 Stunden sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass immerhin 43 % der Associates mindestens 55 Stunden pro Woche arbeiten, bei 19 % ist es gar mit 60 Stundenwochen nicht getan. Rund 1/5 der Associates leistet demnach mindestens 8 Stunden mehr als die durchschnittliche Wunscharbeitszeit. Je ausufernder die Arbeitszeiten, desto unüberhörbarer ist die Kritik der Associates. Zwischen Arbeitszeit und Zufriedenheit besteht demnach ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang: je größer der Abstand von Wunsch- zu tatsächlicher Arbeitszeit, desto unzufriedener sind die Associates. Die laute Kritik an langen Arbeitstagen stieß in den zurückliegenden Jahren nicht überall auf taube Ohren: Einige Kanzleien reagierten, indem sie Arbeitsverhältnisse mit geringerer Wochenarbeitszeit einführten. Associates verzichten dafür auf einen beachtlichen Teil ihres Salärs.

Mehr Geld macht nicht immer mehr zufrieden

Der Zusammenhang zwischen Gehalt und Zufriedenheit ist komplexer. Wenig Geld macht unzufrieden und mehr Geld schadet nie, allerdings ist der Zusammenhang nicht linear: Ist ein gewisses Gehaltsniveau erreicht, lässt sich die Zufriedenheit kaum mehr durch Gehaltserhöhungen steigern. Die Zufriedenheit bleibt dann auf hohem Niveau stabil. Das Phänomen dürfte dem ein oder anderen Partner aus dem Autohaus bekannt sein: mag der erste Porsche noch als Meilenstein gelten, so ist die Freude beim Zweitwagen schon nicht mehr so ausgeprägt. Der zweite Luxuswagen befriedigt jedenfalls kein Mobilitätsbedürfnis mehr. Wer personell am Steuer sitzt, sollten sich daher fragen, ob die nächsten 10.000 € noch den gleichen Effekt erzielen, wie die ersten 10. Insbesondere wenn die Unzufriedenheit von der Arbeitsbelastung herrührt, sind höhere Gehälter möglicherweise nicht als Kompensation geeignet.

Gehaltsverzicht und/oder Freizeitgewinn

Für einige Associates wird ein Wechsel in ein alternatives Arbeitszeitmodell umso attraktiver, je höher die Gehälter steigen. Wer mit seinem Gehalt längst zufrieden war, aber mit der Arbeitsbelastung hadert, kann in ein alternatives Arbeitszeitmodell wechseln, ohne an Zufriedenheit einzubüßen. Der Gewinn an Freizeit wiegt dann schwerer als der Verzicht auf Gehalt. Für Kanzleien, die alternative Arbeitszeitmodelle anbieten, sind Gehaltserhöhung daher ein zweischneidiges Schwert: sie sollen Absolventen anziehen, können aber Seniors dazu veranlassen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Statt mehr, steht nach der Gehaltserhöhung dann möglicherweise sogar weniger personelle Kapazität zur Verfügung.